«Ich habe ein zweites Leben geschenkt bekommen – und das nutze ich.»

Erfahrungsbericht von Michele Z.

Erfahrungsbericht von Michele Z.

Zwei Textbanner über einem verschwommenen Bild einer Person: Erfahrungsaustausch: Stärken und Resilienz

Die Kraft und Energie, die ich in all den Herausforderungen nach meiner Hirnverletzung gebraucht habe, kamen in erster Linie von meiner Familie. Meine Kinder stehen für mich immer an erster Stelle – sie sind mein grösster Antrieb. Meine ganze Familie, meine Freunde* und meine ehemaligen Arbeitskollegen* haben mir enormen Halt und Unterstützung gegeben.

 

Eine richtige Strategie hat sich bei mir erst im Laufe der Zeit entwickelt. Seit dem 1. Januar 2024 lebe ich alleine und manage meinen Alltag weitgehend selbst – Schritt für Schritt, mit Struktur und Disziplin. Ich habe mir eine klare Wochenroutine aufgebaut: dreimal pro Woche gehe ich ins Fitnesstraining, zweimal zur Physiotherapie und zweimal zur Ergotherapie. Zusätzlich besuche ich alle zwei Wochen einen Osteopathen. Jeden Tag praktiziere ich Qi Gong – meistens zwei- bis dreimal täglich. Es wird langsam, aber stetig besser. Für meine Selbstständigkeit haben wir unser Familienauto umbauen lassen, damit auch ich damit fahren kann und es mit meiner funktionierenden linken Körperseite lenken und fahren kann. Auch habe ich mir ein e-Dreirad angeschafft, mit dem ich an Familienausflügen teilnehmen kann oder bei guten Wetterverhältnissen mit dem Velo zu den Therapien fahren kann.

Auch sozial und ehrenamtlich bin ich wieder sehr aktiv: Im letzten Jahr habe ich mich dem Elternrat angeschlossen und übernehme dort verschiedene Aufgaben. Zusätzlich bin ich Co-Trainer bei den Senioren 40+ im Fussball und werde ab Mitte dieses Jahres offiziell im Vorstand meines Fussballclubs für Marketing und Sponsoring zuständig sein. Beruflich war ich früher in der Assekuranz tätig – als Vorsorge- und Versicherungsberater. Heute setze ich mein Wissen und meine Erfahrung auf neue Weise ein.

Die Wochenplanung ist für mich essenziell. Montags und freitags halte ich mir bewusst frei – das sind meine persönlichen Erholungstage, um meine Batterien wieder aufzuladen. Schlaf ist für mich das Wichtigste: Ich gehe um 22 Uhr ins Bett, stehe um 5 Uhr auf und beginne den Tag mit Dehnübungen und Bewegung. Bis 9 Uhr gehört die Zeit nur mir – ohne Handy, ohne Ablenkung. Mein Kalender ist mein Leitfaden: Steht etwas drin, dann wird es auch erledigt.

Dienstags und donnerstags schaffe ich etwa zwei bis drei produktive Stunden – das reicht. Was ich gelernt habe: Am Anfang wollte ich alles gleichzeitig tun, man fühlt sich wie neu geboren und hat das Bedürfnis, das Leben voll auszukosten. Doch ich habe verstanden, dass es klüger ist, sich auf ein bis drei Projekte zu konzentrieren und diese konsequent umzusetzen. Wenn’s klappt – wunderbar. Wenn nicht: «Next one.»

Was ich anderen Betroffenen mitgeben möchte, gerade nach der Corona-Zeit: Geht raus, habt Spass, macht, was euch Freude bereitet – so wie früher. Wir haben nur dieses eine Leben. Vertraut eurem Bauchgefühl. Ich selbst habe vor eineinhalb Jahren gelernt, im Hier und Jetzt zu leben. Früher plante ich alles zwei Jahre im Voraus – heute reicht mir eine Woche. Und das fühlt sich genau richtig an.

Michele Z., Betroffener

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