Mein Leben wurde früh durch einen tragischen Unfall aus der Bahn geworfen. Eigentlich war nur ein Ausflug nach St. Gallen geplant – doch als ich am Bahnübergang das Gleis überqueren wollte, wurde ich von einem herannahenden Zug erfasst. Ich erlitt schwerste Verletzungen: Schädelbruch, Oberschenkelbruch, eine grosse Fleischwunde an der Schulter – und verlor viel Blut. Zwei Wochen lag ich auf der Intensivstation, weitere Wochen im künstlichen Koma. Als ich wieder zu mir kam, konnte ich weder sprechen, schreiben noch essen. Ich war auf künstliche Ernährung angewiesen und musste alles neu lernen.
Trotz der Unterstützung meiner Familie war diese Zeit voller Unsicherheit. Was würde aus mir werden? Nach und nach lernte ich wieder zu sprechen, zu lesen und mich zu bewegen. Es war ein langer Weg, begleitet von Operationen, Schmerzen und Einschränkungen, besonders durch eine zunehmende Spastik auf meiner linken Körperseite. Dennoch kehrte ich zurück in die Schule, schaffte den Übertritt in die Sekundarstufe – obwohl ich ständig mit Müdigkeit, Konzentrationsproblemen und Minderwertigkeitsgefühlen zu kämpfen hatte. Ich funktionierte, aber vieles fiel mir schwer.
Meine Berufsausbildung war ebenfalls eine Herausforderung. Nach einer abgebrochenen Lehre wegen körperlicher Überforderung erhielt ich dank meines Vaters eine Chance als Maschinenzeichner. Ich war der älteste Lehrling, kämpfte mit meinem Tempo und der Koordination. Immer wieder war ich mit Kritik, schlechten Noten und Selbstzweifeln konfrontiert. In meiner Freizeit suchte ich Ausgleich – in geselligen Runden, im Vergnügen. Ich versuchte zu kompensieren, was mir im Alltag fehlte.
Mehrmals wechselte ich die Arbeitsstelle, weil ich an meine Grenzen kam. Ob als Maschinenwart oder in der technischen Entwicklung – körperlich und mental wurde es oft zu viel. Die altbekannten Muster holten mich immer wieder ein: Überforderung, Rückzug, innere Zerrissenheit. Und doch ging ich weiter, immer wieder, manchmal im Zickzackkurs, aber mit dem festen Willen, meinen Platz zu finden.
Heute bin ich 67 Jahre alt, verheiratet, Vater von drei erwachsenen Kindern und stolzer Grossvater von zwei Enkelkindern. Ich arbeite noch zu 30 Prozent im sozialen Bereich und darf sagen: Ich bin angekommen. Ich habe gelernt, mit meinen Einschränkungen zu leben – sie gehören zu mir, aber sie definieren mich nicht mehr.
Mit etwa 52 Jahren kam ich mit FRAGILE Suisse in Kontakt – eine Begegnung mit Licht und Schatten. Aber sie brachte mich auch mit Menschen zusammen, die Ähnliches erlebt haben, und gab mir das Gefühl, nicht allein zu sein.
Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, sehe ich viele Höhen und Tiefen. Ich sehe Schmerz, Frust, Traurigkeit – aber auch Entwicklung, Reife, und die Kraft, trotz allem weiterzugehen. Ich bin dankbar für das Leben, das ich führen darf. Es war nicht der einfachste Weg, aber es ist meiner. Gott sei Dank.
René K., Betroffener