Der einarmige Pianist – Über Musik und das Gehirn

In mehreren Fallberichten schreibt der Neurologe Oliver Sacks über das faszinierende Zusammenspiel zwischen Musik und dem menschlichen Gehirn. Cécile Luder stellt uns das Buch vor.

In mehreren Fallberichten schreibt der Neurologe Oliver Sacks über das faszinierende Zusammenspiel zwischen Musik und dem menschlichen Gehirn. Cécile Luder stellt uns das Buch vor.

«Der einarmige Pianist» von Oliver Sacks hat mich auf eine erstaunliche Reise in die Welt des Gehirns und der Musik entführt. Was Musik mit unserem Gehirn anstellen kann, ist faszinierend und rätselhaft zugleich. Die Fallberichte aus Sacks’ Alltag als Neurologe lassen seine Begeisterung und Neugier dem menschlichen Gehirn gegenüber spüren.

Bereits das erste Kapitel ist ein spannendes Zeugnis davon, wie wenig wir doch über unser Gehirn wissen. Sacks schreibt darin über einen Orthopäden, der, nachdem er von einem Blitz getroffen wurde, eine seltsame und unbändige Klavierspielsucht entwickelte. «Es war ein schrecklicher Kampf», sagte er. «Um vier Uhr morgens stand ich auf und spielte, bis ich zur Arbeit ging, und wenn ich nach Hause kam, sass ich den ganzen Abend am Klavier. Meine Frau war nicht besonders erfreut. Ich war besessen. » Wie kann es sein, dass aus einem scheinbar unmusikalischen Menschen plötzlich ein leidenschaftlicher Pianist wird? Sacks hat keine Erklärung dafür.

In einem anderen Kapitel schreibt der Neurologe über einen Mann, der nach einem Schlaganfall seine Sprache verloren hat. Noch Jahre nach dem Schlaganfall gelang es dem Mann nicht, ein einziges Wort zu finden – er war vollkommen sprachlos. Doch dank dem Singen fand er plötzlich wieder einen Zugang zu den Worten. Zu Beginn waren es nur einzelne Worte eines Liedtextes, die er formulieren konnte. Später gelang es ihm sogar, mit einfachen und kurzen Sätzen auf eine Frage zu antworten. Nicht nur das – mit der Musik konnte er weit mehr kommunizieren als nur die Bedeutung der einzelnen Worte. Er konnte seinen Gefühlen und Gedanken, die sich in dieser Situation nicht hätten durch Sprache äussern lassen, trotzdem Ausdruck verleihen.

In weiteren 27 Kapiteln schreibt Sacks über musikalische «Hirnwürmer», musikalische Träume, über Amusie und nicht zuletzt über einen einarmigen Pianisten. Das Buch ist eine Mischung aus neurologischem Sachbuch und spannendem Roman über Musik und die menschliche Psyche. Es ist jedoch nicht ein Buch, das man an einem einzigen Abend liest. Vielmehr ist es eine Nachttischlektüre, die man immer wieder hervornehmen kann, um darin zu stöbern. Sacks’ wissenschaftlich sachlicher aber zugleich humor- und liebevoller Schreibstil macht dabei das Lesen immer wieder zu einem Vergnügen.

Text: Cécile Luder

Werden Sie aktiv